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Matthias Edler-Golla für:
Hochschule München, Fakultät für Design

Next Nature Design 2023/24



Willkommen im Anthropozän, dem Erdzeitalter der Menschen!

Elsternest aus natürlichen Materialien und Taubenspikes

Foto: Auke-Florian Hiemstra

Die Menschheit beeinflusst heute in einem Ausmaß die Prozesse unseres Systems Erde, dass es in unserer Verantwortung liegt zu entscheiden, ob auch zukünftige Generationen eine lebenswerte Welt vorfinden werden.

Es gibt praktisch keine unberührte Natur mehr. Selbst an den Polen und in den tiefsten Meeren lassen sich menschengemachte Chemikalien nachweisen. Die Technosphäre (menschengemachte Umwelt) hat mittlerweile mehr Gewicht als die Biosphäre. Umgerechnet entspricht dies einer Last von 50 Kilogramm auf jedem Quadratmeter der Erdoberfläche, die Ozean-Oberflächen mit eingeschlossen. Die von uns erzeugten Produkte (Technofossile) übertreffen heute schon in ihrer Vielfalt die Biodiversität (Artenvielfalt) allen Lebens, das bisher auf der Erde existiert hat. Vor 10.000 Jahren stellten Menschen und ihre Nutztiere 0,1% der Biomasse der Säugetieren – heute sind es 90%.

Die Probleme sind bekannt: Wir entnehmen unserem System Erde zu viele Rohstoffe, gleichzeitig pumpen wir es mit unseren Abfallstoffen voll. Ein immer instabiler werdendes Klima sowie das hochgradig beschleunigte Artensterben sind Konsequenzen daraus.

Wir Gestalter:innen haben die Wahl, ob wir Teil des Problems oder Teil der Lösung sein wollen.


Next Nature

Bei den Wissenschaftler:innen, die sich mit dem Erhalt der Erde beschäftigen, setzt mittlerweile ein Umdenken ein: Es geht nicht mehr alleine um den Erhalt der „unberührten Natur“ (die es schon heute fast nicht mehr gibt), sondern um die Erkenntnis, dass wir es in Gemeinschaft mit der uns umgebenden Fauna und Flora schaffen müssen, unsere Erde auch für künftige Generationen lebenswert zu erhalten. Daraus erwächst uns Menschen die Aufgabe, für alle Lebensformen Verantwortung zu übernehmen und unsere Erde als eine Art ganzheitlichen Garten aufzufassen, um den wir uns kümmern müssen.

Im Englischen gibt es dafür den schönen Begriff „Stewardship“, der sich vielleicht in unserem Zusammenhang am besten mit Patenschaft übersetzen lässt.


Cohabitation

Es gibt heute schon viele wilde Tiere (Fuchs, Waschbär, Biber, diverse Insekten…) und Pflanzen, die gemeinsam mit uns in der menschengemachten Umwelt leben. Sie führen bislang allerdings eher ein Schattendasein und werden von uns nur geduldet oder nicht einmal wahrgenommen. Es ist an der Zeit, über eine neue Cohabitation nachzudenken, in der Menschen und andere Lebensformen gemeinsam ihre Lebensräume gestalten. Die Rolle des Designs

Im Anthropozän ist es praktisch nicht mehr möglich, zwischen Natur und Kultur zu unterscheiden. Beide Sphären überlagern und beeinflussen sich zunehmend.

Was bedeutet das für uns als Designer:innen? Design ist heute schon im Wandel, wir gestalten neben Dingen vermehrt Prozesse, Systeme und sogar Zukünfte. Für die Gestaltung einer „NEXT NATURE“ brauchen wir Designer:innen, die sich noch weiter wandeln und über das bisherige Human Centered Design hinausgehen. Sie müssen bereit sein, die ganz großen Zusammenhänge mit zu bedenken – Planet Centered Design. Dies verlangt von uns neue Denkweisen, neue Kooperationen, die Bereitschaft co-creativ mit anderen Lebewesen zusammenzuarbeiten und den Mut Kultur, Technik und Natur zu vereinen. Konkret


Konkret

Im Projekt „NEXT NATURE DESIGN“ wollen wir konkret ausloten, wie wir als Gestalter:innen das Zusammenleben zwischen Menschen und anderen Lebensformen verbessern können:

  • Gibt es Dinge, die wir so gestalten können, dass davon auch Tiere und Pflanzen profitieren?
  • Wie können wir den Tieren und Pflanzen mehr Sichtbarkeit geben, damit sie als Mitbewohner:innen respektiert werden?
  • Wie sähe eine Cohabitations-WG aus? ;-)
  • Wie können wir verständlich machen, welche Leistungen schon heute von Pflanzen und Tieren für uns im urbanen Raum erbracht werden, und dies dokumentieren und visualisieren?
  • Können wir über automatisierte Sensorien einen besseren Überblick bekommen, wer alles mit uns zusammen wohnt?
  • Gibt es (technische) Lösungen, mit denen wir auch den Tieren und Pflanzen ihr Leben erleichtern können?
  • Wie können neue Materialien und Fertigungstechnologien bei der “natürlichen” Gestaltung unserer Umwelt helfen?
  • Wie unterstützen uns Wissen und Methoden aus verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen dabei noch kreativer zu werden?
  • Mut zu evolutionärem Design! Müssen wir uns verabschieden vom Denken in fertigen Produkten? Sind Prototypen die neuen Produkte?

No passengers on Spaceship Earth, only crew!